Zwischen Abschreibeverhältnis und frühjüdischer Gedächtniskultur

Zwischen Abschreibeverhältnis und frühjüdischer Gedächtniskultur. McIvers experimentalpsychologische Kriterien zur Identifizierung eines Abschreibeverhältnisses zwischen den synoptischen Evangelien, in: Der jüdische Messias Jesus und sein jüdischer Apostel Paulus, Hg. A. D. Baum / D. Häußer / E. Rehfeld (WUNT II/425), Tübingen: Mohr, 2016, 142-177:

„In a number of experiments with prose texts that were designed to be analogous to the synoptic problem, Robert McIver and Marie Carroll have demonstrated that students are not able to remember unbroken sequences of more than 15 words in exactly the same order as in the source texts. In the synoptic Gospels McIver and Carroll found 9 parallel prose passages with a sequence of exactly the same 16 or more words (up to a maximum of 31 words). They concluded that copying almost certainly occurred in these synoptic parallels. However, McIver und Carroll did not take into account the empirically demonstrable retention rates of people with a trained memory. As research results from experimental psychology and oral cultures reveal, such people can generate text reproductions of up to 36 words that are exactly the same as in the original. From the perspective of experimental psychology even the longest exact word-for-word parallels in the synoptic Gospels can be accounted for on the basis of memorization. There are no examples of synoptic parallels that cannot have been produced by human memory and must therefore be the result of copying. What is more, some of the synoptic parallels with long sequences of exactly the same words contain evidence that can best be explained as the result of memorization“ (Abstract).

Der jüdische Messias Jesus und sein jüdischer Apostel Paulus

Der jüdische Messias Jesus und sein jüdischer Apostel PaulusDer jüdische Messias Jesus und sein jüdischer Apostel Paulus, Hg. A. D. Baum / D. Häußer / E. Rehfeld (WUNT II/425), Tübingen: Mohr, 2016

„Anlässlich des 65. Geburtstags von Rainer Riesner haben sich Schüler und Kollegen zusammengefunden, um jüdische Aspekte des messianischen Wirkens von Jesus von Nazareth und des apostolischen Wirkens von Paulus von Tarsus zu beleuchten. Die Beiträge des Sammelbands kreisen mehrheitlich um die Kontinuitäten und Diskontinuitäten zwischen Judentum und Christentum, die in den neutestamentlichen Texten über Jesus und über bzw. von Paulus zu finden sind. Die Frage nach der jüdischen Verwurzelung des frühen Christentums umfasst mindestens drei Aspekte, die hier allesamt in den Blick genommen werden: das Verhältnis des Wirkens von Jesus und Paulus zu den heiligen Schriften Israels, die Beziehung von Jesus und Paulus zum zeitgenössischen Judentum und die Verknüpfung der paulinischen Theologie mit der Verkündigung Jesu bzw. der synoptischen Tradition“.

Two Shipwrecked Gospels

Rez. Dennis R. MacDonald, Two Shipwrecked Gospels: The Logoi of Jesus and Papias’s Exposition of Logia about the Lord. Early Christianity and its Literature 8. Atlanta: Society of Biblical Literature, 2012, in: Bulletin for Biblical Research 25 (2015) 573-574:

„… If indeed the most ancient and valuabel historical witnesses we have are largely unreliable and useless, there is much more room for historical speculation. But under such circumstances, the best option would probably be to abstain from developing historical models of the origin of the NT Gospels because of complete lack of a firm historical framework“.

The Original Ending of Mark

Rez. Nicholas P. Lunn, The Original Ending of Mark. A New Case for the Authenticity of Mark 16:9-20, Eugene 2014, in: Theologische Literaturzeitung 141 (2016) 51-53:

„Eines der „Dogmen der neutestamentlichen Textkritik“ lautet, dass die letzten zwölf Verse des Markusevangeliums (Mk 16,9-20) nicht vom Evangelisten stammen, sondern nachträglich von anderer Hand ergänzt worden sind … L. ist es in seiner gründlichen und sorgfältigen Untersuchung gelungen zu zeigen, dass der sekundäre Charakter des längeren Markusschlusses keineswegs so „offensichtlich“ ist und so „zweifellos“ bewiesen werden kann, wie manche Kommentatoren behauptet haben. Die externe und die interne Evidenz sind weniger eindeutig als es manchem erscheinen mag, der sich nicht selbst intensiv damit befasst hat. Trotzdem scheint mir die These, Mk 16,9-20 sei ein ursprünglicher Bestandteil des Evangeliums, etwas unwahrscheinlicher zu sein als das von L. bezweifelte „Dogma“ der Mehrheit. Zwar dürfte der längere Markusschluss Stoff enthalten, der ähnlich alt ist wie der originale Inhalt der synoptischen Evangelien. Davon, dass die redaktionellen Verknüpfungen in Mk 16,9.12.14.19 das Werk des Evangelisten Markus sind, hat mich das Buch aber nicht überzeug …“.

Das Verhältnis der Apostelgeschichte zu Epos und „Roman“ aus der Perspektive der antiken Literaturtheorie

Das Verhältnis der Apostelgeschichte zu Epos und „Roman“ aus der Perspektive der antiken Literaturtheorie, in: Ephemerides Theologicae Lovanienses 91 (2015) 601-626:

„The Book of Acts has recently been classified both as an ancient epic (by M. Palmer Bonz e.a.) and as an historical novel (by R.I. Pervo e.a.). These genre descriptions, however, are not in accordance with the definitions of epic and “novel” offered by ancient literary theorists like Aristotle, Quintilian, Julian Apostata and Macrobius. Their genre definitions must not be ignored. From the perspective of ancient literary theory, the Book of Acts could only be regarded as historiography. Ancient readers who thought that the book’s content was largely invented would have considered it bad historiography but neither an epic nor an historical ’novel'“ (Abstract).

Mark’s Paratactic καί as a Secondary Syntactic Semitism

Mark’s Paratactic καί as a Secondary Syntactic Semitism, in: Novum Testamentum 58 (2016) 1-26:

„In recent research, a number of scholars have questioned the classification of paratactic καί in the NT Gospels as a syntactic Semitism. As a review of all available evidence demonstrates, however, the strong dominance of paratactic καί in the Gospel of Mark has close analogies in the LXX but is unparalleled in ancient original Greek literature. This conclusion can be supplemented by additional evidence which has so far not been taken into account: The very high frequency of paragraph introducing καί in the Second Gospel has many parallels in the Greek OT but is without analogy in original Greek texts. Because of its exceptional frequency on sentence and pericope level, it is still correct to classify paratactic καί in Mark’s Gospel as a syntactic Semitism, albeit a secondary one“ (Abstract).

Heiligung bei Paulus

Rez. Hanna Stettler, Heiligung bei Paulus, Ein Beitrag aus biblisch-theologischer Sicht. WUNT 2/368. Tübingen: Mohr, 2014, in: Theologische Beiträge 46 (2015) 259-260:

„Paulus hat den Anteil des Menschen an der Heiligung anders bestimmt als die Reformatoren und die lutherische Orthodoxie. Diese These vertritt Hanna Stettler in ihrer Habilitationsschrift, die im Januar 2008 von der Ev.-theol. Fakultät der Universität Tübingen angenommen wurde …“ (download)

Wie hoch ist die synoptische Christologie?

Wie hoch ist die synoptische Christologie? Die implizite Christologie der Synoptiker und die explizite Christologie des Johannesevangeliums im Vergleich, in: Gott als Mensch. Christologische Perspektiven. Hg. R. Hille. Gießen: Brunnen, 2015, 33-95:

(Fazit:) „Solange der Blick des Lesers sich auf die christologische Terminologie der Evangelien richtet, scheint das Johannesevangelium eine wesentlich höhere Christologie zu enthalten als die Synoptiker. Denn es ist viel reicher an Sohnes- und Vater-Worten Jesu als die synoptischen Evangelien. Diese Vater-Sohn-Terminologie hat sich in der Christenheit durchgesetzt. Im Apostolischen Glaubensbekenntnis bekennen wir unseren Glauben an Gott und „an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn“. Nicht zuletzt durch den Einfluss des Johannesevangeliums hat sich dieser Sprachgebrauch fest etabliert.

Als Bibelleser, die ihre Christologie ganz johanneisch formulieren, müssen wir aber Acht geben, die Christologie vorjohanneischer Texte nicht daran zu messen, wie stark sie von der Vater-Sohn-Terminologie gesättigt sind. Sobald der Exeget nämlich durch die terminologische Oberfläche hindurchschaut und die christologische Substanz der Evangelien in den Blick nimmt, verflüchtigt sich der scheinbare christologische Niveauunterschied. Das vierte Evangelium enthält keine höhere Christologie als die synoptischen Evangelien. Jesus wird nicht nur im Johannesevangelium, sondern auch bei den Synoptikern als der Messias und der einzigartige Gottessohn dargestellt, der von Gott gesandt wurde, um Gott vollständiger als bisher zu offenbaren, den Anspruch erhebt, über Heil und Unheil zu entscheiden, und seine göttliche Autorität durch eigenständige Wundertaten beweist. Jesus erhebt und begründet bei den Synoptikern denselben übermenschlichen Hoheitsanspruch wie bei Johannes – mit Ausnahme des Präexistenzgedankens, der sich nur bei Johannes findet.

Meines Erachtens sollte man den Unterschied zwischen der johanneischen und der synoptischen Christologie nicht mit dem Gegensatzpaar „menschlich – göttlich“ beschreiben, sondern mit den Adjektiven „implizit“ und „explizit“ . Bei Johannes bedient Jesus sich einer viel expliziteren christologischen Terminologie als bei den Synoptikern. Bei den Synoptikern ist der hohe christologische Anspruch Jesu zwar vorhanden aber terminologisch schwächer markiert, während er bei Johannes auch terminologisch unübersehbar ist. Bei Johannes bringt Jesus seine göttliche Identität stärker auf den Begriff als bei den Synoptikern. Die implizite Christologie der Synoptiker und die explizite Christologie des Johannes unterscheiden sich zwar im Wortlaut, sind aber inhaltlich auf derselben theologischen Hochebene angesiedelt“.

Jeder Text ist Kind seiner Zeit (1 Kor 11,5-6)

Jeder Text ist Kind seiner Zeit. Wie die damalige Kultur Bibeltexte beeinflussen konnte, in: Dem Wort Gottes auf der Spur. 21 Methoden der Bibelauslegung. Hg. U. Wendel. Witten: SCM, 2015, 118-126

(Fazit:) „Das ethische Prinzip, das Paulus in 1 Kor 11,5-6 mit aller Kraft verteidigt hat, bleibt zeitlos gültig und ist heute mindestens so wichtig wie vor 2000 Jahren: Christen müssen in aller Eindeutigkeit für die Unverletzlichkeit der Ehe einstehen. Aber die Formen und Zeichen, mit denen sie dies tun, wandeln sich. Würden wir den Apostel ins 21. Jahrhundert beamen und fragen, ob er findet, dass das weibliche Kopftuch ein geeignetes Mittel ist, um sein Anliegen zu transportieren – er würde bestimmt die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Und er würde uns sicher dazu auffordern, unsere unaufgebbaren christlichen Grundüberzeugungen nicht in einer überholten Zeichensprache, sondern kultur- und zeitgemäß zu vermitteln. Außerdem würde Paulus uns wohl daran erinnern, dass wir es so ja ganz zu Recht auch mit anderen neutestamentlichen Anweisungen halten: einander mit dem „heiligen Kuss“ zu grüßen (1 Kor 16,20 u. ö.), auf aufwendige Frisuren, teure Kleider und wertvollen Schmuck zu verzichten (1 Petr 3,3 u. ö.) oder beim Beten die Hände zu erheben (1 Tim 2,8). In allen diesen Fällen hilft die Kontextualisierung, den Sinn einer biblischen Anweisung auch unter veränderten Bedingungen, wenn die kulturelle Form nicht mehr passt, zu verstehen und zu befolgen“.